Willi-Schneider-Gedenken

Die Geschichte hinter der Willi Schneider Gedenktafel in der Hufelandstraße

Wer die Hufelandstraße in Prenzlauer Berg von der Bötzowstraße zum Volkspark Friedrichshain hinunterläuft, kommt automatisch an dem Haus mit der Nummer 39 vorbei. An dem Haus hängt eine Tafel mit der an Willy Schneider gedacht wird. Wer war Willy Schneider? Und warum hängt die SPD Bötzowviertel jährlich im Sommer einen Kranz auf?

 

Willi Schneider war ein 23-jähriger Sozialdemokrat, der in der Silvesternacht 1930/31 von einem Nazi in der Hufelandstraße in Prenzlauer Berg erschossen wurde. Willi Schneider, ein Abteilungsführer[1] des Reichsbanners „Schwarz-Rot-Gold“, feierte mit anderen Reichsbannerangehörigen den Jahreswechsel im Geschäft des Vaters in der Hufelandstraße 31 (heute 39). Dort betrieben seine Eltern einen Zigarrenladen mit angeschlossener Wohnung, in der er mit seinen Eltern Paul und Anna Schneider wohnte.

 

Was geschah in der Silvesternacht 1930/31?

In der Nacht muss es zu Auseinandersetzungen zwischen SA-Leuten, der paramilitärischen Truppe der NSDAP, und Reichsbannerangehörigen in der Nähe gekommen sein, so berichtet es Moritz Goldstein, der Gerichtsreporter der Vossischen Zeitung „Inquit“ in seinem Artikel über den Prozess am 22.12.1931. Unter der Überschrift „Zuchthaus für die Sylvester-Bluttat” schildert er den Tathergang fast ein Jahr zuvor. In dem Prozess gab es sechs Angeklagte. Demnach soll der Täter Rudolf Becker auf der Suche nach „versteckten Kameraden“ den Laden um vier Uhr morgens betreten haben. Er durchsuchte den Laden und die Wohnung, in der er Anna Schneider vorfand. Unter dem Verweis des Hausfriedensbruches begleitete sie den SA-Mann bis zur Tür. In dem Moment, wo Becker den Laden verlassen will, betritt Willi Schneider das Geschäft in Prenzlauer Berg. Nach einer kurzen Erklärung seiner Mutter stellt auch er den Eindringling zur Rede. Daraufhin soll sich Becker umgedreht und geschossen haben. Willi Schneider wurde getroffen und verstarb noch im väterlichen Geschäft.

Willis Vater, Paul Schneider, Bezirksvorsitzender des Deutschen-Arbeiter-Sängerbundes (DAS) und ebenfalls Mitglied des Reichsbanners, schloss die Tür des Geschäftes nachdem er mit anderen Reichsbannermänner zurückgekehrt war. Vor dem Geschäft versammelte sich eine Traube an Menschen. In diese Gruppe an Menschen schoss der Maler Max Hauscke, ein weiterer SA-Mann. Es war ein wohlgezielter Schuss, „[…] der in den Kopf treffen sollte und auch traf.“[2] Das zweite Opfer war der unbeteiligte Passant Herbert Graf, ein Bankangestellter, ein Sozialdemokrat und ebenfalls aktiver Reichsbannermann.[3]

Erst nach Monaten wurde Rudolf Becker gefasst und fast ein Jahr nach der Tat wurden die beiden Tatverdächtigen zu sieben Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt. Die anderen an der Tat beteiligten Nazis kamen mit geringen Freiheitsstrafen davon. Während des Prozesses zeigten die Angeklagten keine Spur von Reue und kein „Zeichen des Mitleids mit den Eltern, die ihren erwachsenen Sohn verloren haben.“[4]

 

Willi oder Willy Schneider?

Die Ermordung löste größte Empörung unter den Reichsbannermitgliedern aus.[5] Am 7. Januar fand die Trauerfeier von Willi Schneider im Saalbau Friedrichshain statt. Sein Begräbnis soll sich zu einer der eindrucksvollsten Trauerkundgebungen in Berlin entwickelt haben, die gleichzeitig ein „machtvoll[er] republikanische[r] Protest gegen faschistischen Terror“ wurde.[6] Auf der Trauerfeier sprachen sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete und Reichsbannerführer u.a. Johannes Stelling. Dieser beendete seine Rede mit der Forderung, dass endlich Schluss damit sein sollte, dass „Menschen, die für ihre Ideale mit geistigen Waffen kämpfen, ermordet werden“.[7] Zwei Tage später, am 9. Januar, wurde auch Herbert Graf, das zweite Opfer, beigesetzt. Sein Grab existiert nicht mehr.

Auch nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten besuchten Sozialdemokraten das Grab von Willi Schneider um als stillen Protest gegen deren Methoden Blumen niederzulegen. Das Grab existiert noch heute und befindet sich auf dem Sozialistenfriedhof in Berlin-Friedrichsfelde („An der Ostgrenze/Erdwahlstelle 4“).

Im Gegensatz zu der Erinnerungstafel in der Hufelandstraße, die 1957 angebracht worden ist, wird der Vorname auf dem Grabstein als Willi, also ohne „y“, ausgewiesen. In der Traueranzeige der Eltern im Vorwärts vom 6. Januar 1931 steht ebenfalls die Variante mit „i“.

Bei dem Grabstein von Willi Schneider ist außerdem auffällig, dass am Sockel des Grabsteines der Refrain des Liedes „Tord Foleson“ eingraviert ist. Zwischen den Worten ist das Symbol des Deutschen Arbeiter-Sängerbundes (DAS) zu finden, dessen Berliner Vorsitzender Willi Schneiders Vater war und der 1933 aufgelöst wurde. Das Lied handelt von einer norwegischen Heldensaga, in dem der Kampf zwischen der „neuen“ und der „alten“ Zeit beschrieben wird. Tord Foleson ist der Bannerträger der neuen Zeit, der mutig das Banner voranträgt, tödlich getroffen wird und mit letzter Kraft das Banner in die Erde stößt. Viele Arbeiter-Gesangsvereine nutzten die letzten Zeilen des Liedes als Bannerspruch:

„Tord fiel zu Boden, doch das Banner stund. Und das ist das Herrliche, Große auf der Welt: Das Banner kann stehen, wenn der Mann auch fällt.“

Wir, die SPD Bötzowviertel, gedenken jedes Jahr im August an Willi Schneider und an sein Eintreten für Freiheit und Demokratie. Wenn Sie an der Tafel vorbei gehen, halten Sie kurz inne und machen Sie sich bewusst, wie frei wir heute leben.

 


[1] https://www.berliner-zeitung.de/gedaechtnis-15781726 [ geprüft am 6.11.2017]

[2] Ubbens, Irmtraud, „Moritz Goldstein „Künden, was geschieht…“ – Berlin der Weimarer Republik, Feuilletons, Reportagen und Gerichtsberichte“, K.G. Saur; 2012, S. 358.

[3] Gotschlich, Helga, „Zwischen Kampf und Kapitulation: zur Geschichte des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“, Dietz, 1987, S. 90.

[4] Ubbens, Irmtraud, „Moritz Goldstein „Künden, was geschieht…“ – Berlin der Weimarer Republik, Feuilletons, Reportagen und Gerichtsberichte“, K.G. Saur; 2012, S.357

[5] Gotschlich, Helga, „Zwischen Kampf und Kapitulation: zur Geschichte des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“, Dietz, 1987, S. 90.

[6] Hoffmann, Joachim „Ein Jahrhundert Sozialistenfriedhof Berlin-Friedrichsfelde“, 2004, S.13.

[7] http://www.sozialistenfriedhof.de/willi_schneider.html [geprüft am 6.11.2017]

 

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